Gefährdungsbeurteilung der Ozeane
Zusammenfassung
Studien zur Ozean-Gefahrenanalyse und deren Größen- und Frequenz-Beziehung wurden in erster Linie von Naturwissenschaftlern verfochten. Die physikalische und geologische Komplexität der Gefahren wird bei Risiko- und Vulnerabilitätsbewertungen der Sozialwissenschaftler oft nicht berücksichtigt oder angepasst. Daher ist der Bereich der Naturgefahren- und Risikobewertung eines der prominentesten Forschungsgebiete, wenn es um konvergente oder transdisziplinäre Wissenschaften geht. mehr
Naturgefahren unter Wasser, wie Erdbeben, Erdrutsche und einhergehende Tsunamis stellen eine große Bedrohung für die Küstengemeinden dar. Während sich der Bereich der terrestrischen Gefahren- und Risikoabschätzung in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt hat und die Gemeinden sich dessen zunehmend bewusst werden, sind die Geohazards der Ozeane weniger bekannt. Das allgemeine Interesse an Unterwassergefahren ist nach dem Erdbeben im Indischen Ozean 2004 und der Tsunami-Katastrophe 2011 gestiegen. Das Bewusstsein und die Interpretation von Naturgefahren jeglicher Art ist jedoch von vielen Faktoren, wie kulturellem Hintergrund und Bildung, geprägt. Wenn es um Naturgefahren geht, erzeugen die offensichtlichen terrestrischen Gefahren mehr Aufmerksamkeit als die "unsichtbaren" Meeresgefahren. Daher wird ein großer Vulkan mit regelmäßigen Eruptionen als größere Bedrohung wahrgenommen als niederfrequente Ereignisse mit hohem Risiko, wie z.B. Tsunamis durch Erdbeben und Erdrutsche vor der Küste.
Im Projekt "Von der Gefährdungsanalyse zur integrativen Gefährdungsbeurteilung: Können wir es besser machen?" (Gefördert durch die Gruppe "The Future Ocean") wollen wir den komplexen Zusammenhang zwischen den Gefahren der Ozeane und ihrem potenziellen Risiko für die Küstengemeinden untersuchen und bewerten. Unsere Methode basiert auf einem interdisziplinären Ansatz, der sowohl die Natur-, als auch die Sozialwissenschaften umfasst.
Das Untersuchungsgebiet Süditalien
Viele Erdbeben und die daraus resultierenden Tsunamis haben den Mittelmeerraum in historischer Zeit heimgesucht. Einige der schwersten Ereignisse ereigneten sich in Süditalien, darunter starke Erdbeben und Tsunamis in den Jahren 1693, 1783 und 1908. Der Grund für die seismische Aktivität ist die anhaltende Subduktion der afrikanischen Platte unter die eurasische. Das Erdbeben von Messina 1908 und der Tsunami waren die schwerste Naturkatastrophe des 20. Jahrhunderts in Europa. Die Städte Messina und Reggio Calabria wurden fast vollständig zerstört. Es kamen zwischen 75.000 und 200.000 Menschen ums Leben, davon alleine ~2.000 durch den kohärenten Tsunami und seinen bis zu 15 m hohen Wellen. Bis heute ist ungeklärt, wo genau der Bruch stattfand und der Tsunami ausgelöst wurde.

Das Gebiet ist bekannt für seine intensive vulkanische Aktivität, die sich im Vulkanismus der äolischen Inseln und dem größten aktiven Vulkan Europas, dem Ätna, manifestiert. Da die Arbeitsgruppe Marine Geophysik und Hydroakustik an der Universität Kiel und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung bereits mehrere Datensätze zu Unterwassergefahren in dieser Region erworben haben, wurde Süditalien als erstes Zielgebiet für eine integrative Multi-Hazard-Risikobewertung ausgewählt.
Die erste Phase des Projekts umfasst satellitengestützte Fernerkundungstechniken zur Erkennung von Stadtgebieten und erste Ansätze zur Entwicklung einer besseren Analyse menschlicher Aktivitäten. Darüber hinaus arbeiten wir an Werkzeugen, mit Hilfe derer wir die Gefahren der Ozeane einem breiteren Publikum besser vermitteln können.
Ansprechpartner für dieses Projekt: Felix Gross
Project participants (University of Kiel): Sebastian Krastel, Marieke Laengner (now at NIOZ), Athanasios Vafeidis
Projebeteiligte (GEOMAR): Morelia Urlaub, Heidrun Kopp, Dietrich Lange, Florian Petersen